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Vive le Canard! (12635 Klicks)

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08.06.15
Jetzt am WE knapp 250 km (an 2 Tagen!) im Citroën 2 CV 6, also der Ente, zurückgelegt. Oh Heimatland… Das Auto war ein Leihwagen vom Restaurateur (Empfehlung: www.entenfrisch.de in Langgöns bei Gießen) in ordentlichem Zustand. Ich hatte noch blasse Erinnerungen, vor 40 Jahren mal eine Ente eines Bekannten pilotiert zu haben.
Abenteuerliche Details:
- Schaltfolge per Krückstock: 1. Gang links zurück, 2. Gang vor nach rechts, noch mal vor, 3. Gang geradeaus zurück, 4. Gang wie vom 1. in den 2. Rückwärtsgang ganz links nach vorn.
- Faltdach auf: Zwei Schnappklemmen links und rechts über der Windschutzscheibe lösen, Faltdach hochklappen, zwei seitliche Metallstifte aus der Führung in einem Querbügel herausheben, Faltdach zur Hälfte nach hinten rollen, zwei Lochbleche links und rechts etwa in Dachmitte aushängen, Faltdach ganz nach hinten aufrollen, mit zwei Lederbändern und Druckknöpfen (!!) über der Heckscheibe arretieren, fertig. Nein, Vorsicht: Über der Frontscheibe war ja der Querbügel. Der ist jetzt lose und könnte während der Fahrt nach hinten und den Frontpassagieren auf den Kopf schlagen. Also: Die anfangs erwähnten Schnappklemmen wieder an dem Bügel schließen.
- Seiten-Klappfenster nach oben klappen und einrasten lassen (zum Ellenbogen raushängen lassen…). Problem: Außenspiegel kann im Wege sein. Dann: Aussteigen, Spiegel wegdrehen, wieder einsteigen, Fenster hoch, Spiegel wieder einstellen. Neues Problem: Jetzt geht das Fenster unterwegs nicht mehr zu, weil es auf den Spiegel schlägt. Den kann man zwar wieder wegdrehen, aber wenn dann das Fenster runter ist, kommt man nicht mehr dran, um ihn wieder auszurichten. (Unlösbares Problem…)
- Bei Tempo 80 (gefühlt und gehört 160) klappt der Spiegel durch den Gegenwind von selbst ein (Schraube war wohl zu schwach angezogen).
- Bei offenem Dach eigentlich nicht nötig, aber trotzdem schön: Mit Rändelrad die Lüftungsklappen öffnen (erlauben durch das Fliegengitter freien Blick auf die Motorhaube).
- Unterwegs das vermutete Geschaukele (auf superweichen Sitzen mit beängstigender Seitenneigung und merkwürdigem Eigenleben des Vorderwagens in die Kurven, Tipp: das spindeldürre Lenkrad kompromisslos mit zwei Händen festhalten, sonst geht’s geradeaus) und, siehe da: die Ente zieht wankend und schwankend sicher durch jede Biegung. Reifenquietschen ist selten, bestenfalls mal beim Anfahren, denn da braucht es viel Gas, damit die Rasenmähermaschine nicht abgewürgt wird.
- Katastrophe bei 12 % Steigung im Hochtaunus: Im 2. Gang bei Tempo 40 stetiger Speedverlust fast bis zum Stand – Runterschalten in den 1. Gang geht nicht, das Auto muss erst stehen, bevor es den Gangwechsel erlaubt. Also: Man steht mitten auf der Straße, hinter einem eine Riesenschlange (Kurven, Gegenverkehr, vereinzeltes Hupen von Enten-Ignoranten) und setzt erst nach nun möglichem Einlegen des 1. Ganges die Fahrt wieder fort. Und jetzt bloß nicht in den 2. Gang schalten, denn sonst geht das Ganze von vorn los. Da der 1. aber bis 30 km/h reicht (höllisches Motor- und Getriebekreischen), ist das auch nicht nötig. Uff – die Steigung wird flacher, es geht wieder voran.
- Mit der Zeit gewöhnt man sich an die Spezialitäten der Ente und akzeptiert den wahrscheinlich nicht zu vermeidenden Gehörschaden.
- Die letzten Kilometer auf der Autobahn erlauben bergab kurzzeitig 113 km/h. Überwiegend ist die Autobahn aber eine Tortur in der Ente, da man bei 80-90 km/h im Schnitt fast immer zwischen Brummis eingekeilt fahren muss, die oft überholen und als „Hintermann“ gnadenlos auf Stoßstange fahren. Man kann sich in den Brummifahrer hineinversetzen, wenn er an Steigungen sechzig fahren muss, wenn er nicht überholen kann.
- Autsch: Beim Aussteigen tut’s weh: Im harten Kontrast zu den Daunensitzen drückt das seitliche Rahmenrohr ohne Vorwarnung in den Oberschenkel. Warum hat der Fahrer auch so kurze Beine??
- Beim abschließenden Volltanken kommt Freude auf: Trotz der übergroßen Anstrengungen hat die Ente wenig mehr als 6 Liter auf 100 km gebraucht.
- Der finale Wiederverschluss des Daches gelingt nun fast schon blasiert-routiniert, so als ob man Entenfahrer seit Geburt wäre.
- Fazit: Die Blechdose ist so fantastisch verrückt, man hat ein so direktes und aktives Fahr-Erlebnis, man steuert ein Gefährt, dessen Leben man unmittelbar unterm Hintern spürt und mit dem ganzen Körper mit durchleidet, dass man es unbedingt wieder tun möchte. Aber nur bei schönem Wetter und auf der Autobahn nur, wenn sie frei ist.

Danke, Citroën, für dieses Auto. Prost! Cool. Zustimmend.
ThemaAutorDatum/Zeit

Vive le Canard! (12635 Klicks)

Norbert Kapinus08.06.15

Re: Vive le Canard! (12025 Klicks)

Uwe Pflügl08.06.15



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