Hallo Alti,

befüllt wird über den blau gekennzeichneten Anschluß mit dem geringeren Durchmesser. Das ist die "Niederdruckseite" der Klimanlage. Die Anschlüsse haben mit Absicht unterschiedlichen Durchmesser, um sie "idiotensicher" zu machen. Verwechseln kann nämlich nicht nur die Anlage zerstören, sondern sehr gefährlich für alle Personen sein, die sich dann gerade nahe an der Anlage aufhalten.

Deine Frage lässt mich vermuten, dass Du sehr wenig Ahnung von dem hast, was Du da vor hast. Ich würde Dir daher dringend empfehlen, das lieber in einer Werkstatt machen zu lassen.

Ein paar Gründe dafür:

Es ist illegal, undichte Anlagen zu befüllen, da Kältemittel klimaschädlich ist und nicht in die Atmosphäre gelangen darf, wenn es sich vermeiden lässt. Klar, bei einem heftigeren Unfall mit entsprechender Deformierung des Vorderwages, wird natürlich auch regelmäßig der Klimakondensator leck schlagen und - zisch - ist das Kältemittel weg und erhöht die Durchschnittstemperatur unseres Planeten. Aber das ist insofern "toleriert", als es in diesem Fall kaum zu vermeiden ist. Bei geplanten Aktionen sieht man das natürlich anders.
Wenn man keine Geräte oder Möglichkeiten hat, um vernünftig vorab zu testen, ob eine Anlage dicht ist, darf man sie also nicht einfach auf Verdacht befüllen, da logischer Weise davon auszugehen ist, dass die Anlage nicht wirklich dicht ist, wenn zuvor schon große Teile der Kältemittelmenge oder sogar das gesamte Kältemittel aus der Anlage entwichen ist.

Kältemittel (R134a) können i.d.R. nur Personen mit Sachkundenachweis kaufen. Dass es - wie vieles andere "problematische Material" online bestellt werden kann, ist kein Freibrief für verantwortungslosen Umgang damit. Arbeiten an Klimaanlagen sind durchaus gefährlich. Sachkunde, Schutzbrille und Handschuhe sind Pflicht, da z.B austretendes Kältemittel zu Erfrierungen (z.B. der Augenhornhaut, etc.) führen kann.

Die Überfüllung von Anlagen ist gefährlicher, als zu wenig Kältemittel. Die Anlagen haben einen Mindestdruckschalter, der verhindert, dass der Klimakompressor einschaltet, sofern zu wenig Kältemittel (zu wenig Druck) in der Anlage ist um ein heißlaufen des Kompressors bzw. dessen Zerstörung wg. Schmiermangel zu vermeiden. Die meisten haben m.W. auch einen Maximaldruckschalter, aber der kann z.B. Schäden am Kompressor durch angesaugtes flüssiges Kältemittel ("Flüssigkeitsschlag") oder Bersten von Leitungen (auch da gibt es "Sollbruchstellen") etc. nicht immer verhindern, da ein Kompressor der "in Schwung ist", nicht sofort stehen bleibt.

Wichtig auch: Eine Füllflasche sollte nicht - wie in manchen Videos gezeigt - mit dem Ventil nach unten gedreht werden, da auch so evtl. flüssiges Kältemittel in die Anlage gelangen kann, was die Anlage zerstören kann.

Beim Befüllen muss der Kompressor kontinuierlich laufen. Wenn er nicht anläuft, weil viel zu wenig Kältemittel in der Anlage ist und der Mindestdruck für das Einschalten nicht erreicht wird, muss die Anlage regelmäßig komplett entleert (evakuiert) werden. Danach muss getestet werden, ob die Anlage dicht ist, also das Vakuum hält. Wenn eine Anlage -ohne Evakuieren - schon vorher komplett leer war, dann ist anzunehmen, dass durch das Leck Luft eingedrungen ist, deren Feuchtigkeit die Trocknerpatrone gesättigt haben kann. Daher ist in diesem Fall regelmäßig der Trockner zu tauschen. Feuchtigkeit in der Anlage führt ebenfalls dazu, dass sie in rel. kurzer Zeit kaputt geht.

Durch das Evakuieren bekommt man nicht nur die feuchte Luft aus der Anlage. Das muss in der Regel schon allein deshalb gemacht werden, um anschließend eine Mindestmenge von Kältemittel in die Anlage gezogen zu bekommen, damit der Kompressor anläuft. Wenn die Anlage komplett entleert ist - und nur dann - , weiß man auch genau, wieviel Kältemittel fehlt, nämlich die auf dem Schild im Motorraum oder in den Herstellerangaben angegebene Füllmenge.

Beim Befüllen ist ein zwischenzeitliches Abschalten des Kompressors dringend zu vermeiden. In ungünstigen Fällen könnte das dazu führen, dass eine (Einweg-)Füllflasche platzt - insbesondere dann, wenn sie aus dubiosen "Online-Quellen" stammt. In der Regel lässt sich das zwischenzeitliche Abschalten des Kompressors dadurch vermeiden, dass die Anlage während des Befüllens auf volle Kühlleistung, höchste Gebläsestufe und Frischluftzufuhr (nicht Umluft) gestellt wird, vorausgesetzt man füllt bei nicht zu niedriger Außentemperatur (Zimmertemperatur).

Die Füllmenge sollte unbedingt abgewogen werden. Den Angaben auf den Einweg-Flaschen sollte man nicht trauen , insbesondere wenn sie aus dubiosen Online-Quellen stammen. Besser selber nachwiegen. Sind Komponenten der Klimaanlage ersetzt worden, ist eine entsprechende Menge Klimaanlagenöl zu ergänzen, das i.W. der Schmierung des Kompressors und der Abdichtung dient. Listen zu den Mengen hat der Hersteller. Tausch-Kompressoren sind i.d.R. bereits mit Öl befüllt. Es gibt aber auch Ausnahmen. Zu wenig Öl ist schädlich, zu viel Öl kann gefährlich sein.

Wie Du an meinem länglichen Geschreibsel erkennen kannst: Das ist alles ziemlich diffizil und imho absolut nichts für unbedarfte Selbermacher ohne entsprechende Ausrüstung und know-how.

Ohne jemandem jetzt was unterstellen zu wollen, wird "selbst Befüllen" vermutlich oft dann probiert, wenn sich eine ordentliche Werkstätte bzw. der Servicegerät weigert, die undichte Anlage zu befüllen und einem die angekündigten Kosten der "ordentlichen" Reparatur (meist Ersetzen der undichten, fehlerhaften Teile) zu hoch sind.

Egal aber, ob es dabei nun darum geht, mal eben die "heißen Wochen" zu überbrücken oder eine stark undichte Anlage für den Verkauf des Wagens mal kurzfristig "zu reaktivieren" - hier gibt es eine große Bandbreite von "verantwortungslosem Pfusch" bis hin zum Betrug.

Ohne enstprechenden - oft teuren - Austausch der undichten/fehlerhaften Komponenten, ist das Befüllen von Anlagen für Werkstätten - nicht ohne Grund - verboten. Sich die meist teure Reparatur zu sparen und einfach auf "Verdacht" mal nachzufüllen ist ein ökologisches "no go".

Wenn jemand sich damit auskennt und z.B. den Austausch von Komponenten ordentlich und fachkundig selbst macht und danach gewissenhaft prüft, ob die Anlage dicht ist, bevor er sie - mit entsprechender Ausrüstung - selbst befüllt, dann ist das m.E. nicht verwerflich. Sofern man die erforderliche Mindestausstattung (Vakuumpumpe , Manometerset) nicht hat oder sie sich im Einzelfall nicht beschaffen will, sollte man lieber mit einer selbst reparierten Anlage zu einer Werkstatt fahren, und diese bitten einen Dichtheitstest zu machen und sie an einem Servicegerät mit der korrekten Menge zu befüllen, wenn sie o.k. ist. Das kostet nicht die Welt. Reparaturarbeiten aber natürlich nur an komplett entleerten / leeren Anlagen. Und natürlich auch hier: Nicht einfach "rauslassen", sondern vorher "sauber" in der Werkstatt entleeren lassen.

Mein persönlicher Eindruck ist, dass sich leider auch in vielen Werkstätten, die nicht explizit auf "Klima" spezialisiert sind, das Klimaanlagen-Know-How häufig auf das beschränkt, was der Hersteller des verwendeten Service-Gerätes den Mechanikern auf dem zugehörigen Bedienungslehrgang vermittelt hat, damit diese die "Lizenz" zum Klimaservice erhalten.

Langer Rede - kurzer Sinn:

Ohne Dir zu nahe treten zu wollen, würde ich Dir aufgrund Deiner Frage, die zum absolutem "Grundwissen" gehört, dringend dazu raten, das lieber in einer Fachwerkstatt machen zu lassen.

VG
Alex



5-mal bearbeitet. Zuletzt am 12.08.18 01:28.